Santiago de Cuba - Braunschweig
Vom 15.Dezember 2001 bis 15.Januar 2002
Das Projekt Inter-Nos 2001/02 in Santiago de Cuba 31 Künstler und Künstlerinnen aus Cuba, USA, Spanien, Dänemark und Deutschland waren vom 15. Dezember 2001 bis 15. Januar 2002 auf Einladung der staatlichen cubanischen Künstlerorganisation “Taller Cultural” zu dem Wandbild-Projekt INTER-NOS in Santiago de Cuba zusammengekommen. Wandbild “Gasolinera Parque Ferreiro”
(Cu), Susanne Hesch, Nejla Gür, Georg Kiefer, Nina Schulz (D), Sigi Torinus (USA) Die Wand: 112 qm Begrenzungsmauer einer Tankstelle und Werkstatt des Innenministeriums, reserviert für eigene Fahrzeuge, d.h. vorwiegend Polizei. Davor einer der großen Verkehrskreisel der Stadt mit einer kleinen Parkanlage und Sitzbänken in der Mitte, nebenan einer der Bauernmärkte sowie eine Freifläche für Straßenfeste und Karneval. Diese Wand präsentiert sich einerseits dem fließenden Verkehr und den Passanten, andererseits wirkt sie für die Besucher des Parkes wie eine Kinoleinwand oder Projektionsfläche.Immer präsent bei dieser Wand ist der Bezug zur Institution Polizei (schließlich mußte der Entwurf auch von einem Vertreter des Innenministeriums genehmigt werden) und deren privilegierter Zugang zu dem so kostbaren Benzin und Ersatzteilen. Vor ihrer Renovierung trug die Wand jahrelang den Schriftzug "Revolución". Diesen Bedeutungshintergrund aufgreifend will die Wand jetzt jedoch Bewegung, Transparenz, frischen Wind und auch Fröhlichkeit vermitteln im Gegensatz zur Starrheit des Begriffs. Der Weg in die Zukunft ist als Seiltanz dargestellt, als notwendige Suche nach Gleichgewicht. Am Seil wehen und zerren sieben große Tücher, bewegt durch einen der in Cuba allgegenwärtigen Ventilatoren. Auf den Tüchern zentrale Themen wie Versorgung/Nahrungsmittel, Fortbewegung/ Infrastruktur/ Energie, Orientierung, Nationalität, Reflexion, Schönheit, geografische Bezüge - wo liegt Utopia? Wandbild “Santa Barbara”
Reyes (Cu), Constanza Carballo (USA) Die Wand: ca. 120 qm Außenwand eines 5-geschossigen Mehrfamilienhauses in dem traditionellen Stadtteil Santa Barbara. Hier wird gewohnt und gelebt, daher spielte die Frage der Identifikation der Anwohner mit der Malerei eine entscheidende Rolle. Die soziale Struktur des Umfeldes erwies sich als nicht homogen, sondern geprägt von einer Mischung der verschiedenen cubanischen Kulturen und daraus resultierenden Konflikten. Das Bild leuchtet weit über die anderen, niedrigeren Häuser hinweg. Eine große Schere als zentrales Bildelement erscheint zunächst wie eine Werbung für den Frisör im Erdgeschoss mit seiner wichtigen sozial-kommunikativen Funktion, thematisiert aber gleichzeitig die gespaltene Situation des Stadtteils und wird mit der Krone, die für jeden Cubaner als Krone der Heiligen Barbara identifizierbar ist, wieder zum vereinenden Wahrzeichen des gleichnamigen Stadtteils. Grundlage des Entwurfs waren Gespräche im Stadtteil. Die Künstler wurden von Anwohnern aktiv unterstützt und eine Familie stellte für die Eröffnungsfeier ihr Haus zur Verfügung. Wandbild “staatliche Musikstudios EGREM”
die Wand: ca. 250 qm Außenwand eines zweigeschossigen Gebäudes im alten Kolonialen Stadtzentrum. Die Malerei spiegelt die herausragende Bedeutung von Musik in Santiago de Cuba und zeigt deren Einflüsse und Wurzeln. Die 5. Biennale der Wandmalerei in Santiago de Cuba INTER-NOS 2001/02 war dem Thema “10 AÑOS DE AGENDA 21” gewidmet, was von den Beteiligten weniger als eine Bebilderung von Inhalten sondern als Anwendung von Prinzipien begriffen wurde. So ist der erste und verbindlichste Ausgangspunkt der Entwürfe der jeweils konkrete Ort: die materielle Präsenz der Wand, ihr soziales Umfeld, ihre kommunikativen Möglichkeiten. Zum Teil konnte die Bevölkerung in die Arbeit einbezogen werden und damit Identifikation und Verantwortlichkeit geschaffen werden. Darüberhinaus erscheint in den Bildern je nach besonderem Thema der Bezug zu Natur zum Beispiel als Verwurzelung, Entwurzelung, Evolution und Metamorphose, Landschaft, Pflege der Natur durch den Menschen oder Natur als Basis des menschlichen Weges. Multimedia Elke Utermöhlen, Martin Slawig und Martin Kroll (D) entwickelten vor Ort mit Sigi Torinus (USA) und José Seoane (Cu) verschiedene Video- und Sound-Präsentationen, die auf zwei der im Prozess befindlichen Wände der Wandmaler gezeigt wurden, sowie im Innenhof des Stadtarchivs, einem ehemaligen Gefängnis aus der Kolonialzeit. Ihre in Santiago aufgenommenen Materialien fliessen ein in ihr Projekt “Home X”, das an verschiedenen Orten weiterentwickelt und präsentiert wird. INTER-NOS
Santiago de Cuba besitzt durch die wiederkehrenden Projekte inzwischen eine große Zahl an Wandmalereien. Das Interesse in der Stadt ist stetig gestiegen, Radio und Fernsehen berichten, als KünstlerIn wird man von Passanten wiedererkannt oder angesprochen auf andere Wandmalereien. Inzwischen finden sich regionale Sponsoren und das Büro des Stadtkonservators stellt seine Gerüste zur Verfügung. Professoren berichten, wie sie das Bild an der Universität in ihre Vorlesungen einbeziehen, Gruppen von Studenten oder Schülern besuchen die Künstler bei der Arbeit an der Wand.
Einige Verantwortliche der Stadt plädieren inzwischen für eine Restaurierung von Wandbildern. Abgesehen von den zu erwartenden Kosten betrifft diese Frage jedoch auch das Konzept der Wandmalprojekte: Konservierung einer in einem aktuellen Kontext entwickelten Gestaltung oder Möglichkeit zur Veränderung in einem lebendigen sozialen Kommunikationsprozess ? Konservierung, Entsorgung oder Recycling?
Nachhaltigkeit ist auch bei der Produktion von Wandmalerei ein zu berücksichtigendes Kriterium.
|