Köln (2)- Bombay / Indien
DIE SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT DES HYBRIDEN
STRASSENWANDBILD IN KÖLN UND BOMBAY
Wand an der Lutherkirche ( Martin-Luther-Platz )
Organisation:
Allerwelthaus Köln e.V.
Kooperationspartner:
Stadt Köln
KünstlerInnen:
Niteen Gupte (Indien) und Sybille Pattscheck (Deutschland)
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Die kleine Wand in Köln |
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| Wandbild Köln
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Die Selbstverständlichkeit des Hybriden
Wandmalaktion in Köln und Mumbai (Bombay)
konzipiert und realisiert von Niteen Gupte (Deutschland-Indien)
| Köln, Detail
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Das Kölner Projekt Die Selbstverständlichkeit des Hybriden nimmt die Wandbemalung am Martin-Luther-Platz in der Kölner Südstadt zum Ausgangspunkt, um die Möglichkeiten interkultureller Verständigung mittels der Malerei, den relativen Stellenwert der Malerei in den unterschiedlichen Kulturräumen sowie das Nord-Süd-Gefälle, das im Prozess der Modernisierung, Urbanisierung und Globalisierung immer deutlicher wird, zu thematisieren.
Auf einer öffentlich zugänglichen Kölner Wand werden indische Wände fortgeführt. Es wird ein Bild auf Wände in zwei Kontinenten gesetzt. Die durch Alter und Verbrauch „natürlich“ entstandene Patina der indischen Wände selbst wird zum „Bild“ deklariert, denn sie ist ihnen so charakteristisch wie die bemalte Frische den deutschen Wänden und dem westeuropäischen Wohn-befinden.
| Köln, Besucher
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Dieses „Bild“ wird auf der Kölner Wand nicht nachgeahmt, sondern fortgesetzt - kulturgerecht - mit malerisch-kompositorischen Mitteln. Führt man ein kulturspezifisches Phänomen in einen anderen Kulturraum hinein, handelt es sich um eine Adaptation, deren Vorgang, die subjektiv-künstlerische Vereinnahmung des optischen Gegenstandes, hier auch auf transportablen Tafelbildern und anderen Objekten festgehalten wird. Hiermit wird das Malen als „künstlerische“ Tätigkeit auf ihre europäischen Wurzeln zurückgeführt.
Die Malerei auf der Kölner Wand bezieht sich auf ein typisches Merkmal der Patina indischer Wände: die Spuren des Tabakspuckens. Leute kauen Betelblatt („Paan“) gefüllt mit verschiedenen Ingredientien inkl. Tabak, und dann spucken sie es aus in den Städten auf Straßen und Wände - notgedrungen, da dazu geeignete Aborte fehlen. Das Paan-Kauen ist in der indischen Esskultur rituell verankert. Mit der Aufnahme dieser Motivik wird nicht nur auf die augenfällige Verschmutzung der indischen Städte angespielt, sondern auch auf den Stellenwert der tradierten Riten und Gewohnheiten im Prozess der Urbanisierung Indiens, und zwar mit dem Ansatz, die heutige Urbanisierung Indiens sei ausdrücklich europäischen Ursprungs, worin ein Spucknapf keinen Platz mehr habe; ihr rasantes Tempo verfolge wohl globale Interessen ohne Rücksicht auf die Tradition des Kulturraumes noch auf die längst überlastete Infrastruktur der Städte.
| Der Künstler
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Die Verwirklichung des Köln-Bombay Murals, das die Grenzen einer Seccomalerei sprengt, begann mit einer Indien-Reise von Niteen Gupte im Mai-Juni 2000. Paradigmatisch wurden Wände in drei indischen Städten (Bombay-Kalkutta -Poona) fotografisch dokumentiert, um das Paan-Spucken als einen wesentlichen Teil der pa(a)n-indischen Alltagskultur festzuhalten. Angestrebt war in der Planungsphase auch ein deutlich sichtbares Zeichen (vermittels einer Farbmalerei von Sybille Pattscheck) an einer der bespuckten indischen Wände, damit deren künstlerische Einbindung dem Betrachter visuell nachzuvollziehen wäre. Im weiteren Verlauf des Projekts musste jedoch diese Idee aufgegeben werden. Denn, als das Vorhaben verschiedenen Institutionen/Individuen (kommunanalen Einrichtungen, Künstlern, Intellektuellen, Umwelt-Aktivisten sowie den Straßenbewohnern) in Indien vorgestellt wurde, waren heiße Diskussionen, ja erhitzte Argumentationen und Kontroversen die Folge. Die Thematisierung des Spuckens wurde als negative Darstellung Indiens betrachtet. Zahlreiche Themen wurden dadurch angesprochen: Verschmutzung der Städte, Kampagnen und Bürgerinitiativen dagegen (dies wurde auch dokumentiert), unzureichende und überlastete Infrastruktur für die Abfallbeseitigung, die rituelle Bedeutung des Paan- Kauens in der indische Tradition (nämlich als verdauungsförderndes Mittel, Abschluß des Essens, Begrüßungsgeste u.a.), Einschränken des Spuckens als eine urbane, „zivilisierte“ (N. Elias) Notwendigkeit, Unterdrücken der indischen Traditionen und wachsende Dominanz der westlich-bürgerlichen Verhaltensweisen u.ä. Nach der Fertigstellung der Partnerwand in Mumbai (Dez.2000-Jan.2001) wurde in den hiesigen Medien die Thematisierung des Umweltaspekts besonders hervorgehoben. Im diskursiven Sinn hat also das Konzept eine unmittelbare Wirkung gezeigt. Da es unter gegebenen Bedingungen nicht möglich schien, wie geplant, eine malerische Bearbeitung der Vorlage für die Kölner Wand, der bespuckten Wände, zu bewerkstelligen, wurde eine andere Wand in Mumbai gesucht, um das Projekt zu vervollkommen. In enger Kooperation mit dem Jindal Arts and Creative Interaction Centre (JACIC) und der Bürgerinitiative Kala Ghoda Association (beide in Mumbai) war es möglich, eine Wand an dem Platz Kala Ghoda, dem Zentrum des Süd-Mumbai und zugleich dem kunst- und kulturellen Mittelpunkt der Stadt, zu finden. Die Partner-Wand in Mumbai, fertiggestellt von Sybille Pattscheck mit ihrem Bild Falling Rains, wurde auch ein Teil von dem jährlichen Kala Ghoda Art Fest im Februar 2001. Werner Müller hat in seinem Film Achse Köln-Bombay. Künstler überschreiten Grenzen die Verwirklichung des Projektes in Bombay festgehalten.
| Köln Einweihung
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In Köln bemalte Niteen Gupte eine freistehende Mauer am Zaun der Lutherkirche am Martin-Luther-Platz im Oktober 2001; dadurch soll diese zu einer „sprechenden Wand“ werden. Das Mural soll die nächsten 5 Jahre daraufstehen, um dann seiner Übermalung Platz zu machen. Auch während der fünf Jahre soll die Wand, als eine „social sculpture“, auf die unmittelbare Einflüsse reagieren: so erschien innerhalb eines Monats nach der Präsentation des Wandbildes ein Graffito darauf. Dieses „Tag“ sowie die weiteren, die noch zu erwarten sind, werden nach und nach übermalt und in das Bild integriert. Die Wand soll sprechen nicht nur, indem verschiedene Künstler sich über das Medium dieser Wand ausdrücken sollen, sondern sie selbst vermag mit anderen Wänden zu kommunizieren , indem sie über Kontinente hinweg in einen lebendigen, malerischen Zusammenhang mit anderen Wänden gebracht wird.
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