Köln (1)- Taniperla, Mexiko

Wand am LC 36, Bahnhof West, Köln
Realisierung: 25.7 - 31.8.2001

Organisation:
Verein Wohnen und Leben  

Kooperationspartner:
Farbfieber e.V., Ökumenisches Büro München, Jugendclub Courage, ILA Bonn, Galerie Arbeiterphotographie, FZS (Freier Zusammenschluß der Studentenschaften), Sozialistische Selbsthilfe Köln (SSK), Mexiko-Initiative NRW, kath. Fonds für entwicklungspolitische Bildung und Öffentlichkeitsarbeit, Food not bombs, Version, Infoladen Köln, Igor Sacharow Ross, Verein Wohnen und Leben, AStA FH-Düsseldorf, Son de Cologne, Infoladen Bankrott, B.A.S.T.A., Oscar-Romero-Haus, Radio GZSZ, AStA FH-Köln, AZ-Konzerte im Exil

KünstlerInnen:
Prof. Checo Valdez, Mexiko und KünstlerInnen und Laien aus Köln

Die Hauswand


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Wandbild in Köln


Leben und Traum? Amor y Rabia!

Revolutionstourismus bald auch in Köln


Köln, Detail
Nicht nur in Chiapas werden Arbeitsbrigaden und Friedenscamps von engagierten EuropäerInnen bevölkert. Das Spektrum reicht von langfristigen Projektarbeiten bis zu Pauschalangeboten der Sparte „Revolutionstourismus“. Doch warum immer in die Ferne schweifen? Köln hat schließlich seit diesem Sommer auch eine neue Attraktion. In zentraler Lage kann man vom Westbahnhof bzw. der Venloer Strasse aus kunterbunte Utopien auf ca. 250 m² Wand besichtigen. Ganz ohne Entwicklungshilfe aus den zapatistischen Dörfern im Widerstand ist Köln dabei aber doch nicht ausgekommen. Die neue Sehenswürdigkeit ist auf ein Wandbild zurückzuführen, welches von den BewohnerInnen des autonomen Landkreises Ricardo Flores Magón in Chiapas gemalt wurde. Das Bild, in dem sie ihr Leben und ihre Träume darstellten, wurde kurz nach seiner Fertigstellung bei einem massiven Militäreinsatz zerstört.



Rekonstruktion des Wandbildes aus Chiapas
Das Wandbild ist bislang in 13 verschiedenen Ländern reproduziert worden. In Köln wurden seit Anfang Juli die ersten sanften Hügel von Chiapas auf die Brandmauer der LC36, eines ehemals besetzten Hauses, gezeichnet, außerdem Gemeindeversammlungen, Schulen, Radiostationen und natürlich Zapata samt den seinem Vorbild folgenden ZapatistInnen.

12 × 2,4 m². Da blieb noch viel Platz für ein eigenes Wandbild. Doch was um Teufels Willen sollte dargestellt werden? Gibt es hierzulande noch Utopien? Wie sehen sie aus? Artikulationen der Linken, welche über antikapitalistische Globalisierungskritik hinausgehen, werden schnell als anachronistisch abgetan.
Allen vorherigen Entmutigungen zum Trotz fanden sich ca.18 Menschen unterschiedlichen Alters aus verschiedenen Himmelsrichtungen (von Frankfurt bis Bilbao, von Mexico bis Chile) zusammen, um ihren Utopien Konturen und Farbe zu verleihen.


Köln, in Arbeit
Auch Sprayer beteiligten sich an der Aktion. Nach einer kurzen Einführung in die Grundregeln der partizipativen Demokratie und der Gemeinschaftsarbeit entstand eine respektvolle und herzliche Basis, auf der man nun begann, Ideen und Vorstellungen vom eigenen Leben zusammenzutragen. Die individuellen Skizzen wurden besprochen und gemeinsam weiterentwickelt. Nach einer Woche stand der Entwurf. Zwei Wochen wurde gepinselt und gesprayt.



Köln, Detail
Am 15. September wurde das 24m hohe Gerüst abgebaut und gab den neuen Blick auf die LC36 frei:
„Amor y Rabia“ („Liebe und Wut“) prangt in einem roten Stern, der von einem kraftvollen Wirbelsturm aus solidarischen Menschen (und Tieren) getragen wird, hinter sich die Spur des Kampfes gegen Unterdrückung und Ausbeutung.Doch wie ist die zapatistische Landbevölkerung damals zu der gemeinschaftlichen Darstellung ihrer konkreten Utopien gelangt?

Das kann vielleicht niemand besser vermitteln als Checo Valdez, der Kunst- und Designprofessor der Universidad Autónoma Metropolitana in Mexico-Stadt, der damals das Wandbildprojekt in die Wege geleitet hatte. Die Mexico-Initiative Köln/Bonn und der Verein Wohnen und Leben luden ihn und Sara Duque, Repräsentantin für den autonomen Landkreis Ricardo Flores Magón, nach Köln ein.





Wir fragten Checo nach seinen Erfahrungen mit kommunalen Wandbildern:
„Leben und Traum im Perla-Tal“ heißt ein Wandbild, dass in deinem Leben einiges verändert hat. Was bedeutet für dich Leben und Traum?


Sergio Valdez Ruvalcaba
Als eine wichtige Entdeckung, als Zeichen sozusagen, hat es mein Leben verändert. Es hat mich aus meinem bisherigen Trott herausgerissen und in eine leuchtendere und aktivere Welt versetzt.

Wie bist du nach Taniperla gekommen?

Physisch über eine Schotterpiste. Aber ich hatte mich aus zwei Gründen auf den Weg gemacht: Zum Ersten folgte ich der Einladung von Antonio Paoli (Linguistikprofessor und Mitarbeiter des Menschenrechtszentrums Fray Pedro Lorenzo de la Nada in Chiapas), und dann war da die Neugier, die Neugier auf die Sprache der Tzeltales (in Taniperla ansässige Maya-Kultur). Als ich erfuhr, was das Wort yich’el ta muk bedeutet, was schlicht mit „Respekt“ übersetzt wird, schien es mir wie ein Gedicht. Das Konzept in Tzeltal ist folgendes: Derjenige, der Respekt bietet, öffnet das Herz desjenigen, der den Respekt erhält, sowie sein eigenes.


Chiapas in Arbeit
Wie bist du dann zu dem Projekt des Wandbildes gekommen?
Ich war zu Besuch in Taniperla, um die Indígenas kennen zu lernen und einige Grafiken für einen Menschenrechtskongress anzufertigen. Dort haben einige gesehen, wie ich Skizzen gemacht habe, und mich daraufhin gefragt, ob ich sie nicht bei einem großen Gemälde unterstützen könnte, das sie zur Einweihung ihres autonomen Landkreises malen wollten.

Wie ist dann die Entstehung dieses ersten Wandbildes abgelaufen?

Grundsätzlich habe ich darum gebeten, dass Personen aus verschiedenen Gemeinden an diesem Wandbild mitarbeiten. Sie sollten die Ideen für das Wandbild zusammentragen, damit ein repräsentatives Bild für den Landkreis entsteht.

Was war für dich das Wichtigste, was du von den compañer@s während des Kurses gelernt hast?

Dass sie immer lachen. Was mich sehr beeindruckt hat ist, dass sie etwas gut Gelungenes mit Gelächter feiern. Wenn etwas in die Hose gegangen ist, haben sie auch gelacht. Ich habe einmal gesehen, wie ihnen eine Lampe beim Transport kaputtgegangen ist, und sie haben sich vor Lachen geschüttelt. Vor einigen Monaten sagte mir ein Linguist, dass Tzeltal übersetzt werden kann als „die Person, die das Lachen zu ihrer Lebensform macht“.


Chiapas, Detail
Das Wandbild wurde fertiggestellt zur Einweihung des autonomen Landkreises „Ricardo Flores Magón“. Was ist dann passiert?

In der Tat wurde am 9. April 1998, einen Tag vor der offiziellen Einweihung des autonomen Landkreises, das Wandbild fertig gestellt, bzw. wir haben beschlossen, dass es fertig ist. Am Abend des 10. April war das Einweihungsfest mit Reden usw. und wir waren alle am Tanzen. Zu früher Stunde kam die Durchsage, dass das Fest vorbei wäre, da man die Musiker nicht mehr bezahlen könnte. Das kam uns sehr merkwürdig vor. Wir waren inzwischen im zivilen Friedenscamp versammelt und schon bald wurde uns klar, dass sich in Monte Libano, einem nahegelegenen Militärstützpunkt, verschiedene Polizeieinheiten und Militärs versammelten, und dass man einen Angriff auf den Landkreis befürchtete. In der Tat kamen am 11. April um 5 Uhr morgens Polizei und Militär angefahren. Ungefähr 1200 Mann, in 50 Fahrzeugen verschiedenen Typs, begannen damit, Angst und Schrecken in der Bevölkerung zu verbreiten. Sie zerstörten und plünderten. Unter den zerstörten Dingen befand sich das Wandbild, 40 Stunden nachdem es fertiggestellt worden war.

Wandbild in Taniperla












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