Köln (1)- Taniperla, Mexiko
Wand am LC 36, Bahnhof West, Köln
Leben und Traum? Amor y Rabia! Revolutionstourismus bald auch in Köln
12 × 2,4 m². Da blieb noch viel Platz für ein eigenes Wandbild. Doch was um Teufels Willen sollte dargestellt werden? Gibt es hierzulande noch Utopien? Wie sehen sie aus? Artikulationen der Linken, welche über antikapitalistische Globalisierungskritik hinausgehen, werden schnell als anachronistisch abgetan. Allen vorherigen Entmutigungen zum Trotz fanden sich ca.18 Menschen unterschiedlichen Alters aus verschiedenen Himmelsrichtungen (von Frankfurt bis Bilbao, von Mexico bis Chile) zusammen, um ihren Utopien Konturen und Farbe zu verleihen.
„Amor y Rabia“ („Liebe und Wut“) prangt in einem roten Stern, der von einem kraftvollen Wirbelsturm aus solidarischen Menschen (und Tieren) getragen wird, hinter sich die Spur des Kampfes gegen Unterdrückung und Ausbeutung.Doch wie ist die zapatistische Landbevölkerung damals zu der gemeinschaftlichen Darstellung ihrer konkreten Utopien gelangt? Das kann vielleicht niemand besser vermitteln als Checo Valdez, der Kunst- und Designprofessor der Universidad Autónoma Metropolitana in Mexico-Stadt, der damals das Wandbildprojekt in die Wege geleitet hatte. Die Mexico-Initiative Köln/Bonn und der Verein Wohnen und Leben luden ihn und Sara Duque, Repräsentantin für den autonomen Landkreis Ricardo Flores Magón, nach Köln ein. Wir fragten Checo nach seinen Erfahrungen mit kommunalen Wandbildern: „Leben und Traum im Perla-Tal“ heißt ein Wandbild, dass in deinem Leben einiges verändert hat. Was bedeutet für dich Leben und Traum?
Wie bist du nach Taniperla gekommen? Physisch über eine Schotterpiste. Aber ich hatte mich aus zwei Gründen auf den Weg gemacht: Zum Ersten folgte ich der Einladung von Antonio Paoli (Linguistikprofessor und Mitarbeiter des Menschenrechtszentrums Fray Pedro Lorenzo de la Nada in Chiapas), und dann war da die Neugier, die Neugier auf die Sprache der Tzeltales (in Taniperla ansässige Maya-Kultur). Als ich erfuhr, was das Wort yich’el ta muk bedeutet, was schlicht mit „Respekt“ übersetzt wird, schien es mir wie ein Gedicht. Das Konzept in Tzeltal ist folgendes: Derjenige, der Respekt bietet, öffnet das Herz desjenigen, der den Respekt erhält, sowie sein eigenes.
Ich war zu Besuch in Taniperla, um die Indígenas kennen zu lernen und einige Grafiken für einen Menschenrechtskongress anzufertigen. Dort haben einige gesehen, wie ich Skizzen gemacht habe, und mich daraufhin gefragt, ob ich sie nicht bei einem großen Gemälde unterstützen könnte, das sie zur Einweihung ihres autonomen Landkreises malen wollten. Wie ist dann die Entstehung dieses ersten Wandbildes abgelaufen? Grundsätzlich habe ich darum gebeten, dass Personen aus verschiedenen Gemeinden an diesem Wandbild mitarbeiten. Sie sollten die Ideen für das Wandbild zusammentragen, damit ein repräsentatives Bild für den Landkreis entsteht. Was war für dich das Wichtigste, was du von den compañer@s während des Kurses gelernt hast? Dass sie immer lachen. Was mich sehr beeindruckt hat ist, dass sie etwas gut Gelungenes mit Gelächter feiern. Wenn etwas in die Hose gegangen ist, haben sie auch gelacht. Ich habe einmal gesehen, wie ihnen eine Lampe beim Transport kaputtgegangen ist, und sie haben sich vor Lachen geschüttelt. Vor einigen Monaten sagte mir ein Linguist, dass Tzeltal übersetzt werden kann als „die Person, die das Lachen zu ihrer Lebensform macht“.
In der Tat wurde am 9. April 1998, einen Tag vor der offiziellen Einweihung des autonomen Landkreises, das Wandbild fertig gestellt, bzw. wir haben beschlossen, dass es fertig ist. Am Abend des 10. April war das Einweihungsfest mit Reden usw. und wir waren alle am Tanzen. Zu früher Stunde kam die Durchsage, dass das Fest vorbei wäre, da man die Musiker nicht mehr bezahlen könnte. Das kam uns sehr merkwürdig vor. Wir waren inzwischen im zivilen Friedenscamp versammelt und schon bald wurde uns klar, dass sich in Monte Libano, einem nahegelegenen Militärstützpunkt, verschiedene Polizeieinheiten und Militärs versammelten, und dass man einen Angriff auf den Landkreis befürchtete. In der Tat kamen am 11. April um 5 Uhr morgens Polizei und Militär angefahren. Ungefähr 1200 Mann, in 50 Fahrzeugen verschiedenen Typs, begannen damit, Angst und Schrecken in der Bevölkerung zu verbreiten. Sie zerstörten und plünderten. Unter den zerstörten Dingen befand sich das Wandbild, 40 Stunden nachdem es fertiggestellt worden war.
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