Riga - Neuss
Realisierung: August 2001
Mural - Global Riga - Kommunikation auf und unter allen Ebenen!!
Als der Termin näher rückte, sagte unser kolumbianischer Künstler ab, da er einen Lehrstuhl an einer Universität von Bogota angenommen hatte und keine Zeit fand.Dank moderner Technik blieben wir im mail - Kontakt. Auf der Suche nach einem "Ersatz - Kolumbianer" stießen wir über hundert Ecken auf Carlos Trancoso. Dieser ist kein Kolumbianer, aber Maler und das im hintersten Galizien. Innerhalb weniger Stunden sagte er zu und setzte sich in den nächsten Überland- Bus! Er hat das Team um Vilnis Putrams gut ergänzt. Er sprach neben spanisch recht gut Englisch.
Auch hier danken wir dem Internet und Scannern, denn auf diese Weise blieb er mit dem Kunstprozeß in Kontakt. Die Ideen wurden zwischen Lettland und Deutschland sekundenschnell hin- und hergeschickt. Ein Mobiltelefon in Riga brachte ihn verbal bis auf das Baugerüst. Die Jakusonoks sind Gründer einer Künstlergruppe im Rigaer Stadtteil Bolderaja (übers. Poldern), der bolderaja group. In Riga selbst leben 850.000 Einwohner, in Bolderaja ca. 30.000. Der Stadtteil gehört zu den vergessenen der Stadt. Während der Stadtkern wunderbar restauriert wird, leben die Leute in Bolderaja am wenig beachteten Rande – auch der Rigaer Gesellschaft. Die Kunst- und Kulturgruppe hat es sich zum Ziel gesetzt, unwirtliche Orte menschlicher werden zu lassen... und davon gibt es in Bolderaja genügend. Sie versuchen, kulturelles Leben auch in diesen Stadtteil zu holen. Kultur wirkt Vielen oft als unnötiger Luxus, wenn die eigene Existenz gefährdet ist. Dennoch ist die Gruppe davon überzeugt, daß der Mensch Anregung braucht, um sich mit all seinen Fähigkeiten zu entfalten.
Das russische Erbe ist in Bolderaja deutlich zu spüren. Die Familien der ehemaligen russischen Soldaten leben dort in zweiter und dritter Generation. Der Stadtteil ist regelrecht farblos, der sozialistische Wohnungsbau prägt das Bild. Dennoch gibt es um Bolderaja das Dagaugriva – Naturschutzgebiet, das vielen vom Aussterben bedrohten Pflanzen und Vögel Heimat bietet. Durch die Pumpenstation fließt der Bach Hapaka Gravis. Bereits 1226 siedelten hier Mönche, um die Gegend urbar zu machen. Obwohl sie sehr abgeschieden lebten, boten sie den Seeleuten an, in ihrem Wald Holz zu schlagen, wenn sie ihre Schiffe reparieren müßten. Auch heute lebt diese Gegend vom Holzhandel. Das meiste, des „grünen Goldes“, so die Letten, wird unbehandelt als Rohstoff exportiert. Auf der Daugaugrivas Soseja fahren täglich dutzende Holz – Lastkraftwagen vorbei. Auf der Suche nach dem schnellen Geld lehnt man jede Form der Weiterverarbeitung ab. Ist das Holz verarbeitet, wird es oft wieder importiert. Für den Transport wird Energie verbraucht, die nicht nötig wäre. Die Pumpenstation gehört zu einer Holzfabrik, die mit gutem Beispiel voran geht und vor Ort weiterverarbeitet. Selbst die Späne werden verarbeitet, indem schließlich Spanplatten gepresst werden. Üblicherweise vernichtet man sonst Späne.
Während der Malzeit wurden sie Künstler in die "Familie" der Fabrikarbeiter aufgenommen. Sie halfen, wo sie konnten und am Wochenende brachten sie Ihre Familien mit. Diese brachten Gemüse und Fische und bereiteten sie vor Ort für die Künstler zu. Oft luden sie sie zum Baden im Fluß oder zu einer Tasse Tee ein.Das, was dieses Projekt für unsere Künstler einmalig werden ließ, läßt sich schlecht in Worte fassen. Sie wurden rührend von den Menschen in Bolderaja aufgenommen und danken Ihnen von Herzen! Besonders danken sie der Rigaer Künstlerin Aija Zarina, Sandra und Vladimirs (Valodja) Jakusonoks und aus der bolderja group besonders Larisa Scheller und Georg (Schora), sowie von der Fabrik Genadij, Galina und Vladimirs. Vielleicht sind es auch die lustigen Episoden, wie die der gesponserten Farbe: Eine Rigaer Firma stellte dem Projekt kostenlos sämtliche Farben zu Verfügung. Um dem unsachgemäßen Gebrauch entgegenzuwirken, schickten sie täglich einen Kontrolleur, der das Mischen der Farben überwachte. Diese Farben auf Silikatbasis mußten zwar doppelt aufgetragen werden und es war nicht möglich, bei Regen zu malen, aber nun gibt diese Firma 30 Jahre Garantie auf die Leuchtkraft des Wandbildes!! Eine andere Episode: Aija Zarina brachte während des Malens als Element die Personendarstellung der Warli (Indien) ein. Diese Symbolik des Miteinanders und der Verschmelzung mit der Natur faszinierte sie. Als wir hier in Neuss die Einladungskarte zur Wandbildeinweihung erhielten, trauten wir unseren Augen nicht; hatte wir doch einen Tag zuvor in unserem Café eine Ausstellung zur Warlikunst eröffnet! Das entstandene Bild ist kein fertiges. Es ist ein Prozeß, der in den nächsten Monaten fortgeführt wird. Die verhinderten Künstler wollen mitmalen und die Fabrikarbeiter noch mehr bunt. Sie haben bereits viele Ideen für den nächsten Malgang. Obwohl sich das Neusser und das Rigaer Wandbild äußerlich unterscheiden, drehen sich beide um die Kommunikation.In Neuss ging es um neue und uralte Medien und was sie mit uns machen. In welchem Kontakt stehen wir zu unserer Erde? Das Wandbild in Riga schaffte eine Atmosphäre der Kommunikation. Auch das gemeinsame Ziel " Agenda 21" kann nur im Dialog erarbeitet werden. Das in Bolderaja stets aktuelle Thema der Integration findet sich auch im Bild wieder. Menschen aus Russland, der Ukraine und Lettland leben offiziell in einem Stadtteil, aber in der Realität kommt es kaum zu Kontakten. Die Mischung der Rigaer Künstler und Pumpenarbeiter hat dazu geführt, daß diese vor dem Bild stattfand.
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